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Arbeit und Kirche - zwei Welten...

  • bemindfulhopelove
  • 8. Aug. 2021
  • 6 Min. Lesezeit

Ich hatte diese Woche einen massiven Kulturschock.... - ich hatte meine erste Arbeitswoche nach dem Urlaub...


Aus meinem christlichen Freundeskreis geht, glaube ich, niemand so richtig außerhalb der Kirche arbeiten... Und ich stehe mit meinem IT-Arbeitsplatz doch auch recht weit außerhalb der Kirche. Mein Arbeitgeber ist immerhin ein eher konservativeres, mittelständiges deutsches Unternehmen. Aber da wir gerade auf Agilität, Scrum, SAFe (man verzeihe mir die Nennung beider Begriffe in einem Satz...) umstellen, ist die Denkweise bei uns im Unternehmen natürlich inzwischen auch eine andere als das, was man so "konservativ" nennen würde...


Urlaub und Kirche...

In meinem Urlaub konnte und durfte ich mich viel mit christlichen Themen beschäftigen. Einen Teil meines Urlaubs habe ich damit verbracht, Gregorianische Choräle für eine Alte Messe am Ende meines Urlaubs vorzubereiten - ich habe mich ins Handbuch Gregorianik weiter eingelesen und mich intensiver mit Psalmodien beschäftigt (Tonus in tenore antiquo...), natürlich die Stücke und Texte gelernt - und mir die Texte auch inhaltlich angesehen ("Behüte mich...").

Ich habe über den Urlaub hinweg bei der Bibelchallenge von katholisch.de weiter mitgemacht. Ich habe meine Lehrbriefe weiter bearbeitet, v.a. zur Bibelexegese und zum Alten Testament... Ich habe den Blog nachgehalten... Bilder gemacht, Texte geschrieben...

(Bevor die Anmerkung kommt - ja, ich habe auch die Einheitsübersetzung. Außerdem u.a. die Übersetzungen "Schlachter 2000" und "Elberfelder Bibel".)


Ich war dermaßen mit dem Kopf raus aus allem, was mit IT zu tun hatte! Als würde diese Welt nicht existieren...



Arbeit ohne Kirche...

Dann, diesen Dienstag, hatte ich meinen ersten Tag zurück auf der Arbeit. Ich gehe meine Mails durch. Habe die erste Besprechung bei uns im Team. Es hat sich etwas herauskristallisiert, was in den kommenden Tagen massiv auf mir gelastet und einen enormen Frust erzeugt hat: ich habe ein neues Projekt übertragen bekommen: ich soll alle Anforderungen an unseren IT-Bereich (ca. 400 Leute...) aus einem Projekt heraus koordinieren, das den Bilanzierungsabschluss für kommendes Jahr massiv umgestalten muss. Wichtig. Dringend. Hohes Eskalationspotential, wenn es zeitlich knapp wird. Viele Anforderungen. Aktuell noch viele blinde Flecken und vollkommen unterschiedliche Verständnisse davon, was zu tun sein wird. SLAs, die detailliert ausgearbeitet werden müssen. ...

Nicht, dass ich die Aufgabe nicht mag. Aber wahrscheinlich wird sie mich einige Nerven und eine Menge Überstunden kosten. Mein Chef weiß das auch. Wir haben direkt geklärt, wer die Aufgaben statt mir übernehmen könnte. Also. Die anderen Aufgaben von mir. Die ich abgebe, damit ich dieses Projekt betreuen kann.


Ohne das vorher mit mir zu besprechen, ist meine Freizeit für die nächsten 18 Monate mal eben so verplant worden. Jedenfalls zu einem gewissen Teil.


Die Freizeit, in der ich die Lehrbriefe bearbeiten wollte. Zeit mit meinem Freundeskreis und mit meiner Familie verbringen wollte. In die Kirche gehen wollte. Mich mit Musik beschäftigen wollte.


Sofort kamen die Fragen: Was nun? Kann ich ablehnen? Kann ich das irgendwie steuern? Kann ich meine Freizeit irgendwie "schützen"? Macht es langsam doch Sinn, in einen anderen Job zu wechseln? Vielleicht sollte ich auch einen kirchennäheren Job suchen...? Sollte ich die Arbeitszeit reduzieren. Intern wechseln...?



Warum mache ich dann den Job?!

Ich bin damals gerne und freiwillig in unser "Zentrales Team" gewechselt. Ich habe mich darauf gefreut. Ich habe hier die Möglichkeit, mich zu entwickeln. Gute, interessante Aufgaben zu übernehmen. Meinen Kopf mit Komplexität und Anspruch in einer Weise vollzuballern, wie ich das nicht nur in anderen Funktionen nicht bekomme - es ist auch noch das absolut Richtige für mein Gehirn! Stress hin oder her - es darf arbeiten! Es hat Spaß daran!! (Es ist ein bisschen süchtig danach... ;))

Und ich habe immer Freude an der Zusammenarbeit mit anderen Kollegen gehabt - und an der Arbeit für andere Kollegen. Daran, sie zu unterstützen, wo ich es kann. Und das ist manchmal sehr wesentlich gewesen, das "wo ich das kann".

Und ich habe die Chance, mich in dieser Gruppe auch dahingehend einzubringen und zu entwickeln.


Als ich mir das vor Augen geführt habe, war das auch der Moment, in dem mir schon wieder klar wurde, warum ich diesen Job tue. Und warum ich ihn gerne mache.


Man muss auch ein Stück weit ehrlich sagen: ich bezweifle, dass ich in einem kirchlichen Kontext die Chance hätte, so frei und so anspruchsvoll zu arbeiten - als Frau. Vielleicht liege ich da falsch. Aber: mein Chef ist nicht grundlos "Big Bang Theory"-Fan. Und er hat mich nicht grundlos im Team haben wollen. Und ich wurde nicht grundlos für dieses Thema eingesetzt.


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Mit einem Bein in jeder Welt...

Mit den vergangenen Tagen ist der Frust weniger geworden und ich bin mit dem Kopf wieder mehr in der Arbeit angekommen. Gleichzeitig habe ich eine zweite Alte Messe gesanglich begleitet. Freunde getroffen. Die Lehrbriefe weiter bearbeitet. Diskussionen darüber auf Instagram geführt. x-D


Ich lebe in zwei Welten. Ein Bein steht in der IT. Eines steht in der katholischen Kirche.

Ich kenne ITler, die christlich glauben. Die meisten reden nicht darüber. Die meisten sind auch nicht in meiner Generation.

In meinem Alter kenne ich mehr Kollegen, die sich mit nordischen Göttern beschäftigen oder ihre Freizeit noch immer am PC verbringen...


Manchmal scheinen mir diese Gegensätze unüberwindbar.

Es fühlt sich manchmal sehr danach an, dass hier das "normale" Leben massiv auf eine Kirchen"blase" trifft. Gar nicht so sehr in Bezug auf mein Umfeld, auf die Lehrbriefe oder auf die Bibel. Sondern vor allem in Gesprächen mit manchen Gläubigen außerhalb meines Umfelds ("Sie arbeiten in der IT sonntags???").


Es wäre vielleicht manchmal auch einfacher, schlicht den Rückzug in die Kirche anzutreten.



Aber das ist nicht mein Platz.

Es ist 12 Jahre her, seit ich zum ersten Mal darauf angesprochen worden bin, ob ich mich nicht als Führungskraft sehen würde.

Für mich war das lange alles kein Thema, einfach weil ich keine Affinität zu dem habe, was mir "oberflächlich" scheint: Autos, Geld, teure Klamotten, Karriere... Position um des Ansehens willen. Macht um der Macht willen. Alles nix, wofür ich morgens aus dem Bett aufstehen würde.


Bis mir ein Kollege erzählt hat, weshalb er Gruppenleiter geworden war. Es hatte vor allem mit der Arbeit mit Menschen zu tun. Mit dem, was anderen weiterbringt. Was sie unterstützt.

Ab da habe ich angefangen, Führungskräfte zu beobachten. Mit einigen über ihre Beweggründe zu sprechen. Zu schauen, was aus ihnen, ihrer Arbeit, ihren Ansprüchen wird. Ihren Charakter.


Mir war früher immer wichtig, da, wo ich bin, Gutes für andere bewegen zu können. Ich habe das vielfach auch gekonnt. Ich weiß aber auch, wo die Grenzen sind. Als Projektleitung. Als Berater sowieso. Und noch mehr als normaler Mitarbeiter.


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Und doch gibt es einige Dinge, die ich bewegen kann.

Auch im christlichen Sinne.

Ich kann Sonntagsarbeit reduzieren, wenn es andere Möglichkeiten gibt.

Ich kann Nachtarbeit verringern, wo wir andere Lösungen finden und aufbauen können.

Ich kann für andere einstehen. Bei der Arbeitszeit. Bei inhaltlichen Themen. Bei Zwischenmenschlichem.

Ich kann Menschen unterstützen zu erkennen, zu was sie werden können - und sich dahin zu entwickeln.

Wir können gemeisam mit Werten führen und geführt werden. Und lernen, uns selbst zu leiten (Stichwort Agilität).

Das sind keine Illusionen, es ist meine Erfahrung: dass diese Dinge sich ändern können, wenn man sie einbringt.


In welcher Weise ich mich auch persönlich weiterentwickeln werde. Diese Schritte, wie dieses Projekt - sie gehören dazu. Sie sind zeitintensiv, auch manchmal in der Freizeit. Oft bin ich abends zu müde, um mich noch an Themen zu setzen, die meinem privaten Interesse entgegenkommen.

Trotzdem geben mir meine Aufgaben - jetzige wie vielleicht künftige - nicht nur die Möglichkeit, im Kleinen da zu sein, zu verändern. Sondern auch: ein Beispiel zu sein. Meine Ansichten zu äußern, die manchmal eben doch von anderen Werten geprägt sind. Bisher ist das nie von Nachteil für eine der Seiten gewesen. Und das ist ja auch das Ziel: für beide Seiten gute Ergebnisse zu erzielen. Gemeinsam.



Für beide Seiten... Auch für die zwei Welten: Kirche und nicht-Kirche.

Denn wenn wir alle nur noch in der Kirche sind - wer hat dann noch einen Blick ins "Außen"?

Um eine Welt wirklich zu verstehen, muss man in ihr leben. Ihre Sprache sprechen. Die Werte verstehen. Die Denkweisen und die Kultur kennen. Es reicht nicht, sie von außen zu betrachten.

Ich lebe in zwei Welten - von sehr vielen Welten, die wir hier in Deutschland, in der Welt inzwischen haben. Aber immerhin: in zwei. Ich merke oft, wie selbstverständlich vieles in der einen Welt ist und in der anderen weiß man nicht mal was davon. Das trifft auf beide zu.

Und das ist ein Punkt, an dem ich manchmal ansetzen kann. Erzählen. Verständnis schaffen. Und auch selbst: zuhören.

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Alte Würze in neuen Arbeitswelten...

Übrigens gibt es aber auch etwas, das ich aus der Kirche für meine Arbeit persönlich gelernt habe.

Ich bewundere unseren Pfarrer dafür, wie ruhig er geblieben ist, als diskutiert wurde, dass er aus dem Pfarrhaus vielleicht ausziehen muss. Ich bewundere die Geduld der Domschwestern, wenn wir Gottesdienstbesucher in Corona-Zeiten irgendeine Vorschrift vergessen hatten - und die Domschwestern dafür wohl Ärger bekommen haben.

In der Kirche gibt es noch diese Denkweise, dass man akzeptiert, was einem "auferlegt" wird. Dass man sich nicht alles selbst aussuchen kann. Dass "Ober Unter sticht".

Das kann ja manchmal auch ein bisschen ein exotisches Gewürz in unserer modernen Arbeitswelt sein... ;)



Am Ende ist es das, was ich wollte - beide Seiten im Blick zu haben, mich auf beiden Seiten zu entwickeln und in beide Welten das Beste aus der anderen Welt mitzubringen.


Mal schaun, wie weit der Anspruch zu Wirklichkeit passen wird. :)










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